Clockwork spiders by Bomann Corina

Clockwork spiders by Bomann Corina

Autor:Bomann, Corina [Bomann, Corina]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Ueberreuter
veröffentlicht: 2014-01-11T05:00:00+00:00


14. Kapitel

Ganz Belgravia war an diesem Morgen in Aufruhr. Allerdings nicht, weil es einen neuerlichen Mordfall gegeben hätte. Die Dienstboten auf den Straßen und die Herrschaften in den Fenstern reckten ihre Köpfe gen Himmel, um das bedeutendste Wunderwerk der Königlichen Luftflotte bewundern zu können. Die Queen Victoria, das größte Personenluftschiff Englands, kehrte von einer Reise nach Kanada und Indien zurück, an Bord niemand Geringeres als Königin Victoria selbst, die wie in jedem Jahr ihren Kronkolonien einen Besuch abgestattet hatte.

Auch Violet war zutiefst beeindruckt von dem walartigen Koloss, der majestätisch über die Stadt hinwegschwebte und dabei ganze Häuserzeilen überschattete. Das Brummen und Stampfen der Dampfmotoren war bis hier unten zu vernehmen, während das Luftschiff allmählich in den Sinkflug überging. Als sie ihr Fernglas vors Gesicht hob, erblickte sie Luftschiffkadetten, die in den Seilen herumkletterten und die Hilfssegel einholten, die an die Flossen von exotischen Fischen erinnerten. Der Kapitän stand aufrecht und erhaben an der Spitze der gläsernen Gondel, flankiert von seinen Offizieren. Leider gelang es ihr nicht, zwischen den Passagieren einen Blick auf die Queen selbst zu erhaschen. War sie überhaupt am Fenster? Eigentlich ließ sie es sich nie entgehen, sich dem Volk zu zeigen, denn wie Violets Vater immer behauptete, war es für einen Monarchen lebenswichtig, vor seinen Untertanen präsent zu sein. Nach so langer Abwesenheit dürsteten die Menschen förmlich danach, ihre Königin wiederzusehen und sich von ihrer Gesundheit zu überzeugen. Wahrscheinlich war sie gerade auf der anderen Seite des Luftschiffs und winkte dort ihren Untertanen zu. Violet tröstete sich also mit dem Anblick der Waffensysteme, die unter dem Luftschiff angebracht waren. Die Kanonen und Schnellfeuergewehre – sogenannte Gatlings, ein Geschenk der Amerikaner – hätten ausgereicht, um halb London unter Beschuss zu nehmen. Doch diese Waffen waren nötig, denn wo es Luftschiffe gab, gab es auch Piraten, und die würden allein schon bei dem Anblick der gefährlich blitzenden Messingrohre das Weite suchen. Außerdem hieß es, dass die Queen Victoria im Falle eines Krieges die Flotte anführen würde. Doch Krieg hatte es jetzt schon seit beinahe siebzehn Jahren nicht mehr gegeben; die Deutschen setzten seit ihrer Niederlage in Sedan wieder eher auf Diplomatie, denn auf Luft- und Wasserschiffe.

Da in Friedenszeiten stets die besten Erfindungen gemacht wurden, hoffte Violet, dass es noch lange friedlich bleiben würde – unter Beschuss und in Lebensgefahr zu forschen, stellte sie sich einfach schrecklich vor.

Als das Luftschiff vorüber war, trat sie zurück ins Zimmer und verstaute ihr Fernglas wieder in seinem Etui. Aufgrund dieses Ereignisses war das Frühstück verschoben worden, doch nun sollte sie so schnell wie möglich ins Speisezimmer gehen, wenn sie sich nicht wieder eine Benimmstunde von ihrer Mutter einhandeln wollte.

Unten im Speisezimmer fand sie allerdings nur ihren Vater vor, der gerade die Morgenzeitung studierte.

»Guten Morgen, Papa!« Als Violet zu ihm trat und er die Zeitung herunternahm, bemerkte sie, dass er kreidebleich war.

»Ist dir nicht gut?«, fragte sie besorgt, während sie vor ihm stehen blieb, unschlüssig, ob der morgendliche Kuss auf die linke Wange gewünscht war.

»Nein, es ist nur ...« Der Blick ihres Vaters wanderte beunruhigt zu der Zeitung zurück.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.